Der Degu – sozial und clever

Verglichen mit Kaninchen, Meerschweinchen und Hamstern führen Degus in der Heimtierhaltung noch ein Nischendasein. „Dabei begeistern die Tiere nicht nur durch ihr Aussehen, sondern auch durch ihr Sozialverhalten und ihr zutrauliches Wesen“, so Jürgen Hirt, Diplom-Biologe beim Bundesverband für fachgerechten Natur-, Tier- und Artenschutz (BNA).

Bild: IVH/BNA-Hirt

Die kleinen Südamerikaner im Porträt

Der Degu (Octodon degus) stammt ursprünglich aus Chile. Seit den 1970er Jahren wird er auch in Deutschland gehalten und inzwischen in verschiedenen Farbvarianten gezüchtet.

Die Tiere bewohnen ursprünglich Gebiete der chilenischen Matorral-Region. Das Klima dort ist eher gemäßigt-mediterran mit regnerischen, kühlen Wintern und trockenen, heißen Sommern. Durch die Nähe zur Atacama-Wüste ist die Vegetation in dem Buschland und den Savannen eher karg. Degus leben in Gruppen, die normalerweise aus einem geschlechtsreifen Männchen, zwei bis drei Weibchen und den noch nicht geschlechtsreifen Jungtieren bestehen. Innerhalb des Familienverbandes herrscht eine strenge soziale Ordnung.

Wohl in Anpassung an ihren Lebensraum verhalten sich Degus für Nagetiere eher ungewöhnlich: Sie legen unterirdische Baue an und errichten zudem einen Hügel („Feldherrenhügel“), zentral im Revier, als Aussichtspunkt für das Männchen. Jede Gruppe verteidigt zwar ihr Territorium, allerdings können die einzelnen Gruppen zusammen regelrechte Kolonien mit mehreren hundert Tieren bilden.

Ein bisschen Biologie

Degus werden 11 bis 19 Zentimeter groß; dazu kommt ein fast körperlanger, behaarter Schwanz. Sie werden durchschnittlich vier bis sechs, selten bis acht Jahre alt. Das jeweilige Geschlecht zu bestimmen, ist etwas knifflig, denn auch die weiblichen Degus besitzen einen ausgeprägten Harnröhrenzapfen, der leicht mit dem männlichen Geschlechtsorgan verwechselt werden kann. Zudem liegen die Hoden der Männchen in der Leibeshöhle und helfen bei der Geschlechtsbestimmung nicht. Das tut dafür der Abstand zwischen Geschlechtsöffnung und After: Beim Männchen ist er deutlich größer als beim Weibchen.

Bitte nie allein!

Degus sind sehr gesellig und dürfen daher niemals einzeln gehalten werden. Die Gruppengröße sollte zwischen drei und fünf Tieren liegen, am besten Nestgeschwister. Ist dies nicht möglich, sollten Jungtiere vor dem Erreichen der Geschlechtsreife miteinander vergesellschaftet werden. Bei Weibchen ist das mit sechs bis acht Wochen der Fall, bei Männchen mit zehn bis zwölf Wochen. Degus können sehr gut in reinen Männchen- oder Weibchengruppen leben. Natürlich sind auch gemischtgeschlechtliche Gruppen möglich – ein Männchen und mehrere Weibchen. Hier sollte das Männchen aber frühzeitig kastriert werden, da sich die Tiere explosionsartig vermehren können.

Neue Tiere in eine bestehende Gruppe zu integrieren, ist oft problematisch. Ebenso sollten bestehende Gruppen nicht getrennt werden, da die Tiere früh eine Rangordnung untereinander ausbilden. Diese kann bei Wegnahme einzelner Tiere zusammenbrechen, was teils heftige Rangkämpfe nach sich zieht, eventuell sogar bis zum Tod eines Tieres.

In harmonierenden Gruppen hingegen suchen die Tiere immer wieder Kontakt zueinander. Sie reiben sich gegenseitig die Köpfe, pflegen sich wechselseitig das Fell oder sitzen aneinander gekuschelt zusammen.

Die richtige Ernährung

Degus ernähren sich in freier Natur hauptsächlich von karger und energiearmer, aber rohfaserreicher Nahrung, wie Gräsern, Kräutern, Rinden und Wurzeln. Um diese optimal verwerten zu können, besitzen die Tiere nicht nur einen komplexen Verdauungsapparat und lebenslang nachwachsende Zähne. Sie fressen auch einen Teil ihres Kotes, um von Darmbakterien gebildete Eiweiße aufzunehmen. Damit die Tiere gesund bleiben, ist daher auf die richtige, den natürlichen Bedingungen entsprechende Zusammenstellung der Nahrung – rohfaserreich und zuckerarm – zu achten:

  1. Degus sind „Dauerfresser“: Über den Tag verteilt nehmen sie immer wieder kleine Portionen zu sich. Daher muss ihnen als Grundfutter immer hochwertiges Heu zur Verfügung stehen. Auch Mischungen mit getrockneten Kräutern, Blättern und Blüten eignen sich gut. Der Fachhandel bietet auch spezielle Degu-Pellets an.
  2. Ergänzend dazu brauchen die Tiere Frischfutter, zum Beispiel frische Blätter von Möhren, Gras oder Löwenzahn sowie Blüten und Zweige von Obst- oder Laubbäumen wie Birke, Hainbuche oder Haselnuss. Gut geeignet sind auch Salate wie Eichblattsalat, Chicorée, Feldsalat oder Radicchio sowie kleine Mengen an Gemüse wie Fenchel, Gurke oder Möhre. Aber Vorsicht: Tiere, die noch kein Grünfutter gewohnt sind, müssen mit kleinen, sich langsam steigernden Mengen angefüttert werden, um Verdauungsprobleme zu vermeiden.
  3. Zudem bekommt jedes Tier täglich einen Teelöffel mit einer speziellen Degu-Körnermischung bestehend aus zwei Teilen öl- und einem Teil mehlhaltigen Sämereien.
  4. Gesunde Leckereien wie Nüsse, Kürbis- oder Sonnenblumenkerne sollten dagegen nur gelegentlich auf den Tisch kommen, etwa zur Belohnung gereicht.

Stehen zu energiereiche Nahrung und/oder ein hoher Anteil an Zuckern auf dem Speiseplan, neigen Degus zu Diabetes und den damit verbundenen Folgeschäden wie etwa Grauem Star. Obst und andere zuckerhaltige Leckerbissen dürfen daher nicht verfüttert werden. Sauberes Trinkwasser muss stets zur Verfügung stehen.

Verhaltensgerechte Unterbringung

Degus haben einen extremen Nagetrieb und bekommen selbst Aluminium durch. Das Gehege muss daher entsprechend ausbruchsicher sein. Der Gitterabstand etwa sollte nicht größer als 1,2 Zentimeter sein. Für zwei bis drei Degus eignet sich ein stabiler Metallkäfig, beispielsweise eine Vogelvoliere oder ein Kleinsäugerterrarium ab einer Größe von 100 mal 50 mal 100 Zentimetern. Für jedes weitere Tier sollte die Grundfläche um 20 Prozent vergrößert werden, gerne auch über mehrere Etagen hinweg, die über Bretter und/oder Leitern verbunden sind. Aber bitte nicht aus Plastik: Kunststoffe werden zernagt und die Splitterstückchen können den Verdauungstrakt verletzen.

Das Gehege sollte möglichst ruhig stehen, ohne Zugluft und direkte Sonneneinstrahlung – gegebenenfalls auch erhöht. Das erleichtert die Beschäftigung mit den Tieren und schützt sie vor eventuellen anderen Haustieren. Die Temperatur sollte zwischen 18 und 24 Grad Celsius liegen. Degus reagieren besonders empfindlich auf hohe Temperaturen, plötzliche Temperaturschwankungen sowie zu hohe Luftfeuchtigkeit.

Die Tiere graben gern und brauchen daher eine grabfähige, staubarme und mindestens 15 Zentimeter dicke Einstreu – am besten eine Mischung aus Kleintierstreu, Stroh, Heu und Ästen. Holzhäuschen oder Tonröhren bieten geeignete Rückzugsmöglichkeiten. Weitere Beschäftigungsmaterialien wie Naturäste (keine Nadelhölzer!), unbedrucktes Papier oder Karton kommen dem Nagebedürfnis der Degus entgegen. Heu und unbehandelten Zellstoff nutzen die Tiere gerne, um Nester zu bauen.

Futter- und Wassergefäße können auf einer erhöhten Ebene standsicher angeboten werden. Zudem muss ein Bad mit weichem Sand für die Fellpflege zur Verfügung stehen. Alle schweren Einrichtungsgegenstände müssen sicher vor Untergrabung sein, also beispielsweise direkt auf der Bodenplatte stehen.

Degus lieben auch Laufräder. Sie sollten mindestens 30 Zentimeter Durchmesser haben und achsseitig geschlossen sein. Laufräder mit offener Sprossenlauffläche sowie zu kleine oder achsseitig nicht geschlossene Laufräder gelten als tierschutzwidrig.

Eingewöhnung und Umgang

Degus sind neugierig. Durch Füttern aus der Hand können sie langsam handzahm werden. Dann ist auch ein kontrollierter Freilauf in der Wohnung möglich.

Degus lassen sich aufnehmen, indem man sie mit beiden Händen vorsichtig umfasst. Die Tiere dürfen allerdings nicht am Schwanz festgehalten werden, da die Schwanzhaut leicht abreißen kann. BNA/IVH