Systemrelevanz der Heimtierbranche: Ohne Gas-Versorgung kann keine Tiernahrung hergestellt werden

Stellungnahme von Heimtierindustrie und Tierbedarfshandel zur Tierernährung: Mögliche Versorgungslücke für Heimtiere bei Gas-Rationierung gefährdet Tierwohl 

Für die meisten Heimtierarten ist die industriell hergestellte Tiernahrung die wichtigste Grundlage für ein gesundes Leben. Mit großer Besorgnis verfolgen daher die Unternehmen und Verbände der Heimtierbranche die aktuellen Entwicklungen rund um den drohenden Engpass in der Gasversorgung. In einem gemeinsamen Brief haben sie die Bundesnetzagentur und Ministerien Ende Juni dazu aufgerufen, die Heimtierbranche als kritische Infrastruktur zu berücksichtigen. Nur mit ausreichender Energieversorgung kann die Branche im Sinne des Tierschutzgesetzes eine artgerechte Versorgung der rund 35 Millionen Heimtiere in 47 Prozent der Haushalte in Deutschland garantieren.

Die Herstellung von Fertignahrung für Tiere ist fast ausnahmslos vom Energieträger Gas abhängig. Gesetzliche Vorgaben schreiben eine hohe Erhitzung der Rohstoffe in der Produktion vor. Müsste die Futtermittelproduktion eingeschränkt oder gar stillgelegt werden, fehlten knapp 70 Prozent der Futtermittel im Markt.

Ein Ausweichen auf Lebensmittel könnte einigen Tierarten gesundheitsgefährdende Schäden zufügen und würde gleichzeitig den Lebensmittelmarkt und häuslichen Energieverbrauch belasten. 

Hier lesen Sie den Brief:

Bedeutung der Heimtierbranche als kritische Infrastruktur und Priorisierung in der Energieversorgung

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit großer Besorgnis verfolgen die unterzeichnenden Unternehmen und Verbände der Heimtierbranche die aktuellen Entwicklungen im Kontext der Ukrainekrise.

Wir sind uns der Komplexität des Konfliktes bewusst, der uns insbesondere im Hinblick auf die hiermit verbundene humanitäre Katastrophe sehr betroffen macht. Gemeinsam engagieren wir uns für Menschen und Heimtiere in den Krisenregionen und den Aufnahmeländern. In einem beispiellosen Umfang stellen Industrie und Handel sowie Verbände Geld- und Sachspenden bereit, organisieren Tierschutzorganisationen die Versorgung in den betroffenen Regionen und spenden Unternehmen und Tierfreunde für Mensch und Tier.

Unsere Kernverantwortung liegt in der Versorgung von fast 35 Millionen in Deutschland lebenden Heimtieren. Dies betrifft 47 Prozent aller Haushalte – bei Haushalten mit Kindern liegt der Anteil sogar bei 69 Prozent. Die anhaltenden Preissteigerungen im Bereich der Rohstoffe, Verpackungen und Logistik sowie die Beeinträchtigungen der Lieferwege stellen die Heimtierbranche bereits jetzt vor nie dagewesene Herausforderungen. Durch den drohenden Engpass in der Gas-Versorgung sehen wir unseren Auftrag der artgerechten Versorgung der Heimtiere in konkreter Gefahr.

Die Herstellung von Heimtiernahrung ist abhängig vom Energieträger Gas. Einsparungen sind aufgrund der gesetzlichen Vorgaben zur hohen Erhitzung nur sehr begrenzt möglich. Sollte es durch die Einstellung von Gaslieferungen zu einer Einschränkung oder gar Stilllegung der Futtermittelproduktion in Deutschland kommen, fehlen hierdurch knapp 70 Prozent der Futtermittel im Markt. Die Auswirkung auf die Produktion im europäischen Ausland ist hier noch nicht berücksichtigt und würde zu einer weiteren Reduktion des Angebotes führen.

Für die artgerechte Ernährung, die das Wohl der Tiere im Sinne von § 1 Tierschutzgesetz und Artikel 20a Grundgesetz sichert, ist ein Ausweichen auf z. B. Lebensmittel für den menschlichen Verzehr oder Speisereste nicht möglich und würde den Tieren teilweise akut gesundheitsgefährdende Schäden zufügen. Die artgerechte Versorgung ist für viele Tiere, die auf Spezialfutter, z. B. aufgrund von Allergien, Alter oder Erkrankungen angewiesen sind, sogar lebensnotwendig. Sollten Heimtierhalter:innen im Falle von Produktionsengpässen bei der Heimtiernahrung auf Lebensmittel ausweichen, entzieht dies dem vorhandenen Markt der fleischlichen und pflanzlichen Lebensmittel bei alleine über 16 Millionen Katzen und 10 Millionen Hunden in Deutschland enorme Mengen.

In Deutschland liegen wir bei einem Selbstversorgungsgrad von nur 120 Prozent bei Fleisch (vgl. bspw. Dänemark mit 400 Prozent), bei Schweine- und Rindfleisch liegt dieser unter 100 Prozent. Sollten also Heimtiere mit den im Lebensmittelhandel verfügbaren Fleischwaren mitversorgt werden, droht hier schnell ein Engpass in der Versorgung der deutschen Bevölkerung. Da auch bei Weizen und Kartoffeln keine Überproduktion vorliegt und bei Obst und Gemüse mit einem Selbstversorgungsanteil von 40 Prozent eine noch deutlich angespanntere Lage vorliegt, kann hier keine ausreichende Substitution erreicht werden.

Wir bitten Sie daher, sowohl im Sinne des Staatsziels Tierschutz als auch im Hinblick auf die Versorgungssicherheit der Bevölkerung, die Heimtierbranche (Fachhandel und Industrie) – analog zur Einordnung im Kontext des Infektionsschutzgesetzes – als kritische Infrastruktur (Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs) zu berücksichtigen und im Falle eines Gasmangels zu priorisieren.

gez. Norbert Holthenrich, Präsident Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands e. V. (ZZF) 

gez. Georg Müller, Vorsitzender Industrieverband Heimtierbedarf e.V. (IVH) 

gez. Birgit Zelter-Dähnrich und Jens Bluhm, Vorstand egesa-zookauf eG 

gez. Torsten Toeller, Gründer und Inhaber Fressnapf-Gruppe 

gez. Andreas Schulz, Geschäftsführer DAS FUTTERHAUS-Unternehmensgruppe 

gez. Matthias Pohl, Geschäftsführender Gesellschafter Kölle Zoo Holding GmbH 

gez. Thomas Bangel, Inhaber und Geschäftsführer Megazoo Superstore GmbH 

gez. Thomas Brill, Geschäftsführer Megazoo Management GmbH / WelkeGruppe GmbH 

gez. Peter Pohl und Ursula Lindl, Vorstand SAGAFLOR AG 

gez. Jens Köhler, Geschäftsführender Gesellschafter ZOOLOGO GmbH 

gez. Axel Sperling, Geschäftsführer ZOOMA Zoofachmarkt Beteiligungs GmbH