Meerschweinchen als Kindermädchen

Werden Meerschweinchen artgerecht behandelt und optimal sozialisiert, können sie wichtige Funktionen im Familienleben einnehmen. Besonders Kinder profitieren vom Kontakt zu den geselligen Kleintieren. Das klappt aber nur, wenn erwachsene Familienmitglieder die Freundschaft zwischen Kind und Schwein bewusst steuern. 

„Meerschweinchen sind keine geeigneten Spielgefährten für Kinder“, heißt es oft, wenn es um die artgerechte Haltung von Kleintieren geht. Das stimmt in gewisser Hinsicht, meint die Biologin und Meerschweinchen-Expertin Cornelia Drees: „Mit einem Meerschweinchen kann man nicht im herkömmlichen Sinn spielen wie mit Bauklötzen oder einer Puppe. Den Tieren macht es Angst, wenn sie von vielen fremden Händen wie ein Spielzeug hochgenommen, festgehalten und herumgetragen werden.“ 

Gemeinsame Rituale schaffen

Wenn die Eltern sich aber zur Aufgabe machen, den Kontakt zwischen Kind und Tier zu gestalten, dann könne laut der Biologin eine wunderbare Freundschaft entstehen. „In unserer Gesellschaft gäbe es sehr viele Einsatzgebiete für Meerschweinchen“, sagt Drees, die seit 18 Jahren selbst ein Rudel der putzigen Kleintiere hält. „Besonders für Kinder sind sie wertvolle pädagogische Weggefährten.“ 

In vielen Alltagssituationen könnten Meerschweinchen den Kindern dabei helfen, abzuschalten und zu entspannen. Drees empfiehlt beispielsweise, Meerschweinchen als Fernsehbegleiter für Kinder ab dem Schulalter einzusetzen. „Viele Kinder sind beim Fernsehen sehr angespannt und überfordert“, sagt die Biologin. „Ein genüsslich auf dem Schoß des Kindes liegendes Meerschweinchen kann uns lehren, die Gemütlichkeit am Abend hervorzuholen.“ 

Auch eine gemeinsame Kuschelzeit mit dem Tier kann ritualisiert eingeführt werden. Selbst ungeliebte Tätigkeiten wie Lesen oder Vokabeln üben machen Kindern mehr Spaß, wenn das eigene Meerschweinchen entspannt dabei sitzt und vermeintlich zuhört. „Für Kinder ist das dann ihre gemütliche Zeit ohne die Eltern und sie merken gar nicht, dass sie nebenbei gerade für die Schule lernen.“

Situation vorausschauend planen 

Die Situation muss behutsam aufgebaut werden: Es sollten immer Erwachsene sein, die das Meerschweinchen vorsichtig aus dem Gehege nehmen und ihrem Kind auf den Schoß setzen. Das Kind sollte eine wasserdichte Decke auf den Beinen haben, falls dem Tier ein kleines Malheur passiert. Vorher kann gemeinsam leckeres Gras gesammelt werden, mit dem das Meerschweinchen dann Halm für Halm gefüttert wird. Natürlich muss es sich jederzeit bewegen und in eine eigene Rückzugshöhle zurückziehen können, beispielsweise in einen Karton oder ein Holzhäuschen. „Meerschweinchen können gut ausdrücken, was ihnen gefällt und was sie wollen – wenn man sie lässt“, sagt Drees.

Auch das richtige Kraulen spielt eine Rolle: „Damit ein Kind weiß, wie es ein Tier liebevoll streicheln und kraulen kann, muss es selbst von den Eltern gekrault werden“, sagt Drees. Mit kleinen Vertrauensbeweisen, wie dem ausgestreckten Liegen oder einem zärtlichen Fingerlecken, signalisieren Meerschweinchen, dass ihnen die Situation gefällt. „Das spürt ein Kind instinktiv und entspannt sich selbst“, sagt Drees. „Für die Kleinen ist es ein Lernprozess, in dem sie ihre eigenen Empfindungen besser kennenlernen – und natürlich die Interaktion mit einem anderen Lebewesen.“

Nahkontakt in kurzen Sequenzen

Der Nahkontakt sollte zunächst nur in kurzen Sequenzen erfolgen, um Kind und Meerschwein nicht zu überfordern. Das bedeutet, dass für ein Kindergartenkind bereits zehn Minuten am Tag genug sind. Ein Schulkind kann sich bereits bis zu einer halben Stunde auf diese behutsame Art mit seinem Meerschweinchen befassen. „Die Eltern müssen das als Anwälte der Tiere bewusst steuern, damit die Begegnung für beide Seiten erfolgreich wird“, sagt Drees. IVH