Wellensittich & Co.: Tipps zur Erkennung von Stress und Krankheit
Selbst wenn man die Vogelarten berücksichtigt, die unsere Sprache nachahmen können, hat man doch wieder das übliche Problem in der Kommunikation mit seinem Heimtier: Wenn der Vogel gestresst ist oder Schmerzen hat, dann macht er nicht einfach den sprichwörtlichen Schnabel auf und erzählt, sondern Halter müssen das Verhalten ihres Tieres beobachten und Auffälligkeiten feststellen. Dr. Dietmar Steinmetz, Fachtierarzt für Vögel und Betreiber einer eigenen Praxis, klärt über die Anzeichen auf, an denen man das Wohlbefinden seines Ziervogels erkennen kann: „Als Grundlage sollte immer das Verhalten dienen, das man von seinem gesunden Tier kennt. Es gibt meist nicht das eine Symptom für Stress oder eine Krankheit, sondern stattdessen eher plötzliche Änderungen im Verhalten.“ Daher ist es zuerst einmal wichtig zu wissen, wie sich ein gesunder Ziervogel verhält.
Das gesunde Tier als Ausgangslage
„Ein gesunder Vogel zeigt Aufmerksamkeit. Er beobachtet seine Umgebung und nimmt Anteil an dem, was in seinem Umfeld passiert“, erklärt der Tierarzt. Weitere Anzeichen für ein gesundes Tier sind die regelmäßige Aufnahme von Futter und Wasser sowie darauffolgend regelmäßige Ausscheidungen. Je nach Art und Charakter sind die Vögel außerdem aktiv in ihrer Voliere oder ihrem Bauer und klettern beispielsweise freudig an Stangen oder Ästen.
Auch das Federkleid kann Aufschluss über den Zustand eines Vogels geben. „Das Gefieder liegt in der Regel glatt an. Wenn es sehr warm ist, sträubt der Vogel es vielleicht zur Belüftung – wenn es sehr kalt ist, plustert er sich etwas auf und wärmt sich. Machen Vögel das aber auch bei normalen Temperaturen, könnte das ein erstes Anzeichen dafür sein, dass etwas nicht stimmt“, so Dr. Steinmetz. Zudem gibt auch das Nachwachsen der Federn nach einem Kampf um die Rangordnung oder nach der Mauser Aufschluss: Wachsen die Federn problemlos nach, sei das ein Zeichen für gesunden Stoffwechsel.
Und der Experte führt noch zwei weitere Anzeichen an: „Ein Vogel, der badet, ist immer gesund. Ebenso ein Vogel, der singt.“ Das bedeutet im Umkehrschluss allerdings nicht, dass ein nicht-singender Vogel automatisch krank wäre: Verschiedene Vogelarten zeigen jeweils ein eigenes Singverhalten, auch Faktoren wie die Paarungszeit können dies beeinflussen.
Das Verhalten des Vogels bei Stress
Ist ein Vogel kurzzeitig gestresst oder aufgebracht, weil etwas in seiner Umgebung passiert ist, dann flattert er vielleicht einen Moment wild oder sitzt in Hab-Acht-Stellung und ist bereit, jederzeit zu reagieren. Sorgen äußere Einflüsse wie dauerhafter Lärm oder ein Umzug aber dafür, dass der Stress langfristig überhandnimmt, sind die Anzeichen weniger eindeutig. „Stress hat bei Vögeln sehr unspezifische Symptome: In der Regel werden die Tiere ungewöhnlich ruhig, sitzen eher aufgeplustert auf ihrer Stange und wirken vielleicht sogar apathisch. Im Normalfall gehen sie dann auch seltener ans Futter“, beschreibt Dr. Steinmetz. Ein fachkundiger Tierarzt kann dabei helfen, die Ursache für das Verhalten zu finden.
Wie ein Vogel Schmerzen und Krankheiten signalisiert
Auch bei Krankheiten beschreibt der Tierarzt die Symptome sehr ähnlich: Es gibt selten das eine klare Anzeichen. Vielmehr fallen die Unterschiede zum gesunden Vogel durch viele kleine Beobachtungen auf. Ganz vorne stehen dabei Schlappheit und Appetitlosigkeit. Die Körpertemperatur liegt im gesunden Zustand etwas über der von Menschen, konkret etwa bei 40 bis 42 Grad Celsius.
Selbst Schmerzen erkennen Halter oft nur bei genauem Hinsehen. „Vögel leiden still, wenn es nicht gerade um eine akute Verletzung geht“, sagt der Vogelexperte. „Statt deutlich auf eine Verletzung hinzuweisen, schonen die Tiere die betreffenden Stellen. Wenn also zum Beispiel der Flügel schmerzt, dann nutzt der Vogel diesen wenig bis gar nicht und lässt ihn etwas hängen.“ Auch die Körperhaltung verrät etwas: Mitunter ist sie beim kranken Vogel nicht ganz so aufrecht wie bei voller Gesundheit.
Alterserscheinungen bei Ziervögeln
Es muss aber auch gar nicht um besonderen Stress, eine Verletzung oder Krankheit gehen, wenn sich ein Vogel anders verhält als üblich. Das sei wie bei uns Menschen: Im Alter ist man meist weniger aktiv und kommt mehr zur Ruhe, fasst Dr. Steinmetz zusammen und ergänzt: „Mit geübtem Blick kann man das auch äußerlich erkennen. Die Schuppen an den Beinen des Vogels liegen im Alter nicht mehr glatt an und das Federkleid wird stumpfer.“
Wenn Halter bei ihren gefiederten Freunden plötzliche Verhaltensauffälligkeiten bemerken, lohnt sich im Zweifel immer der Besuch einer Tierarztpraxis. Dort können mögliche Auslöser schnell festgestellt werden. Generell empfehlen sich jährliche Routineuntersuchungen, bei denen mögliche Erkrankungen und Probleme frühzeitig auffallen. Dr. Steinmetz empfiehlt zudem eine Mitgliedschaft in einem Vogelverein. Das fördere den Gedankenaustausch mit Gleichgesinnten und bringe dabei auch das Verhalten der Vögel näher. Einen Überblick über die Landesverbände und die jeweils dazugehörigen regionalen Vereine bietet der Deutsche Kanarien- und Vogelzüchterbund e.V. (DKB) auf seiner Webseite unter https://www.vogelbund.de/dkb-landesverbande/. IVH